Die 10 Gebote zum Thema Versorgung von Gebäuden mit Wärmeenergie

Autor: Dr. Markus Brem

Hinweis: Dieser Text ist entstanden aus Gesprächen heraus, die im Juli 2021 mit Experten geführt wurden. Einer dieser Experten bat mich, meine Empfehlungen in Form von 10 Geboten niederzuschreiben.

  1. Du sollst Überschuss-Energie im Quartier nutzen (z.B. Abwärme aus Produktionsanlagen oder sonstigen Umwandlungsanlagen, die bzgl. der    Wärmeenergie als Quelle dienen). Betrachte dabei das Quartier und lass Dich vom Kreislaufdenken leiten.
  2. Du sollst regenerative Energie verwenden und zwar entlang der wirtschaftlichen Vorzüglichkeit und in folgender Reihenfolge: Sonne, Wind, Biomasse, Grundwasserthermie, Gezeiten, etc.
  3. Du sollst die Nutzung der fossilen Energie schnell durch Einsparmaßnahmen und durch regional verfügbare, regenerative Energie ersetzen. Versuche dabei schnelle, kostengünstige Erfolge zu erzielen („low-hanging fruits“), und nicht die 100%-Marke zu erreichen, denn für das 100%-Ziel sind die Hürden hoch und es gibt wesentliche Risiken der Fehlentscheidung (abnehmender Grenznutzen).
  4. Du sollst Wärme- und Stromspeicher nutzen – lass Dich inspirieren, wie die Natur und insbesondere biologische Prozesse uns das Speichern zeigen und seit Jahrmillionen erfolgreich vormachen. Schalt Dein Hirn dazu ein, nutze den gesunden Menschenverstand. Die Elektromobilität mit den vielen Batterien in Fahrzeugen ist ein wichtiger Baustein der Puffersystematik bei PV-Strom.
  5. Du sollst keine Energie verschleudern. Das ist unethisch und wirtschaftlich unsinnig. Nutze, was die natürlichen Kreisläufe geben, ohne dass Du die Entwicklungschancen heutiger und künftiger Generationen verbaust. Ausbeutung ist unethisch, kreislaufwirtschaften ist nachhaltig.
  6. Du sollst vernünftig sanieren, nicht maximal! Nutze dabei die Abwägung zwischen Energiekosten und Sanierungsinvestitionen. Denke an den Primärenergiefaktor und das Gebäudeenergiegesetz! Hör auch endlich auf, ständig Flächen neu zu versiegeln, während gleichzeitig Bestandsstrukturen leer stehen und unwirtschaftlich genutzt werden. Im Bestand steckt sehr viel Energie („graue Energie“). Nutze nachwachsende Baustoffe. Holz aus heimischen Wäldern gehört hier ganz besonders dazu.
  7. Du sollst dem erfahrenen Praktiker mehr glauben als dem Ingenieurbüro, das auf Honorarbasis arbeitet und daher eine andere Interessenlage hat. Berücksichtige auch, dass die Stakeholder und Akteure der „alten Energieversorgungsstrukturen“ ein Eigeninteresse haben, weil sie den Vorteil aus den alten Investitionen (sog. sunk costs und wirtschaftliche Renten) ausschöpfen wollen. Folge nicht den Verlierern der Energiewende, lass Dich von zukünftigen Gewinnern inspirieren.
  8. Du sollst den echten, lokalen Unternehmer (Investition, Risiko, Arbeitsplätze) in Deine Entscheidungen einbeziehen, nicht den reinen Kapitalinvestor (HGÜ-Trasse) und auf gar keinen Fall den Großkonzern. Wer die schönsten Bürogebäude, die größten Autos und die höchsten Gehälter der Öffentlichkeit zeigt, wer mit seiner Zentrale in Innenstädten klotzt, hat offensichtlich ein Geschäftsmodell, das dem Kunden höhere Preise abnimmt, als für das Erbringen der Leistung eigentlich nötig ist.
  9. Du sollst endlich kapieren, dass jede Kilowattstunde Energie, ob Strom, Wärme oder kinetische bzw. potentielle Energie gleich teuer ist, nämlich 0 Cent. Energie ist immer da und kann nicht erzeugt oder vernichtet werden (Energieerhaltungssatz). Vielmehr muss Energie zur menschlichen Nutzung umgewandelt werden und somit für die menschliche Nutzung verfügbar gemacht werden. Diese Umwandlung und Nutzbarmachung kostet. Daraus leitet sich der Unterschiedsbetrag zwischen 1 Ct (PV-Strom aus abgeschriebenen post-EEG-Anlagen), 3 Ct (Holz) und 30 Ct (Strom aus der Steckdose) ab. Energie, die am Ort des Verbrauchs mehr als 10 Cent / kWh kostet, hat Kostenkomponenten, die durch staatliche Regelwerke wie Netzentgelt, Nutzungsrechte oder Steuern bestimmt sind. Beachte bei Deinen Entscheidungen die Entsorgungskosten und die Schäden bestimmter Energieformen (Stickoxide, Tankerunfälle, Kriege, Atomendlager, etc.) sowie die Umkehrbarkeit des Systems (Reversibilität). Entlang einer Menschengeneration sind Windanlagen und Biomasseanlagen reversibel, nicht aber die Beseitigung von Atommüll oder das CO2 aus der Verbrennung von fossilem Gas.
  10. Du sollst die Energiewende als Chance verstehen, die Wertschöpfungspotentiale des Energiesektors wieder auf die lokale Ebene zurück zu holen und gleichzeitig etwas Wichtiges für das Klima zu tun. Energiewende hin zu regenerativen, lokal verfügbaren Energien ist billiger und „nachhaltiger“ als der Umgang mit der Klimakrise! Die regionale Energiewende muss die Wertschöpfung in den ländlichen Raum bringen und ein Zusammenspiel zwischen Stadt und Land sein. Du bist Energiesünder, wenn Du die Nahwärmenetze draußen im ländlichen Raum als toll bezeichnest und in der Stadt am Ende nur das Gasnetz und die Gasversorgung zum Zuge kommen lässt.